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CO2-Neutralität erreicht man nicht an vier Tagen in Davos

Dr. Peter Bechstein | Published on January 28, 2020

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Klimaschutz und Nachhaltigkeit waren die alles dominierenden Themen auf dem World Economic Forum in Davos. Anders als bisherige Treffen auf dem „Zauberberg“ – hier hat Thomas Mann vor knapp 100 Jahren das Tuberkulose-Sanatorium angesiedelt – fehlt dieses Mal jedoch eine eindeutige, gemeinsam getragene Botschaft; so wie dies etwa 2019 der Fall war, als Wirtschaft und Politik gemeinsam über die ethischen und sozialen Implikationen beim Einsatz von künstlicher Intelligenz nachdachten.

Doch in diesem Jahr haben weder Politik noch Wirtschaft das Thema diktiert, sondern der Planet selbst. Dass er in eine bedrohliche Schieflage gekommen ist (oder zumindest zu kommen droht), wurde im zurückliegenden Jahr immer dringlicher demonstriert und diskutiert – so dass es wohl an der Klimaschutzdebatte keinen Weg mehr vorbei gab. Immerhin bemühte sich das Organisationsteam um WEF-Gründer Klaus Schwab darum, dem Event mit mehr als 3000 Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wirtschaft einen möglichst neutralen CO2-Footprint zu verleihen.

CO2-Neutralität kommt mit zunehmender Priorität auf der to-do-Liste der Fortune-500-Firmen an. Immerhin 179 Unternehmen hat die britische Nichtregierungsorganisation Carbon Disclosure Project ausgemacht, die größte Transparenz bei den veröffentlichten Umweltdaten und Klimaschutzmaßnahmen zeigen. „Best in Class“ sind so bekannte Namen wie Microsoft, Apple, Alphabet, Nestlé, Sony, Unilever, Walmart, Danone, Lego, H&M oder L’Oréal. Aus Deutschland sind Firmen wie Deutsche Bahn, Deutsche Telekom unter den Besten, aber auch Produktionsfirmen, die tendenziell mehr Kohlendioxyd ausstoßen, wie HeidelbergCement, Thyssenkrupp und TUI oder Chemiefirmen wie Lanxess und Bayer.

Dass es nicht deutlich mehr deutsche Firmen sind, erklären sich die Studienautoren damit, dass hierzulande weit mehr produktionsorientierte Unternehmen existieren als beispielsweise im dienstleistungsorientierten Großbritannien. Bemerkenswert aber ist die Erkenntnis, dass die von CDP identifizierten klimafreundlichen Unternehmen auch besser an der Börse dastehen als der Durchschnitt der untersuchten Konzerne.

In der heutigen Wirtschaft sorgt eine führende Stellung beim Klimaschutz für gutes Geschäft – in der Wirtschaft von morgen wird sie ausschlaggebend für das Geschäft sein

resümiert der für Europa zuständige Geschäftsführer von CDP, Steven Tebbe.

In der Tat: CO2-Neutralität erreicht man nicht an vier Tagen in Davos, sondern an jedem Tag im Jahr. Während der langwierigen Debatte um das Klimaschutzpaket haben vor allem Wirtschaftsverbände die Bundesregierung aufgefordert, schneller Planungssicherheit für privatwirtschaftliche Klimastrategien zu schaffen. Es hat den Anschein, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit deutlich mehr Aufmerksamkeit bei Managern genießen, als die Debatte an den vier Tagen in Davos Glauben macht.

Und deshalb bleibt es wichtig, an jedem Tag im Jahr Einfluss auf die Politik zu nehmen, die notwendigen Rahmenbedingungen für Klimaneutralität zu stellen, und gleichzeitig mit Leuchtturmprojekten voranzuschreiten. Wie beispielsweise Microsoft, das bereits seit 2012 klimaneutral agiert: Präsident Brad Smith und CEO Satya Nadella haben in den Tagen vor Davos nicht nur angekündigt, bis zum Jahr 2030 CO2-negativ zu werden – also der Umwelt aktiv Kohlendioxyd entziehen zu wollen. Bis 2050 will Microsoft den gesamten jemals in der Microsoft-Historie verursachten CO2-Ausstoß rückgängig machen. Dazu wurde ein Innovationsfonds von einer Milliarde Dollar ins Leben gerufen, denn die Technologien für dieses Ziel existieren noch gar nicht.

Nicht jeder hat das Potential wie Microsoft. Aber es ist an der Zeit, mehr Anstrengungen zu unternehmen, um das notwendige Klimaschutzziel zu erreichen. Dazu brauchen wir nicht unbedingt ein World Economic Forum, sondern tägliche Einflussnahme auf die Politik.

Dr. Peter Bechstein ist Partner und Aufsichtsratsvorsitzender der Public Affairs-Beratung CONCILIUS AG (www.concilius.com) in Berlin, Brüssel, München und Stuttgart. Unter seiner Mail­ad­resse bechstein@concilius.com steht er Ihnen für Fragen oder für einen Gedanken­austausch gerne zur Verfügung.

Dr. Peter Bechstein, Partner und Aufsichtsratsvorsitzender der CONCILIUS AG

Published on January 28, 2020