Ein fester Grund für Gründer –

warum für Start-Up-Unternehmen Lobbying besonders wichtig ist

Dr. Peter Bechstein | Published on December 05, 2019

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Startups, also Jungunternehmen mit starkem Wachstums- und Innovationsimpuls, gelten als „der Mittelstand von morgen“. Tatsächlich bilden die rund 60.000 Startup-Firmen, die die KfW in einer breit angelegten Studie ermittelt hat, mit durchschnittlich zwölf Mitar¬beitern bereits eine signifikante Arbeitgebergruppe in Deutschland. Dabei entsprechen Startups streng genommen nur in ihren ersten fünf Jahren der strengen Definition, die neben dem Firmenalter zwei weitere Eigenschaften fordert: einen starken Innovationsdrang und ein skalierbares, in der Regel digital ausgelegtes Geschäftsmodell. Eine junge Metzgerei ist demnach kein Startup, eine Anwaltskanzlei, die sich auf Online-Beratung und Online-Sammelklagen spezialisiert, aber durchaus.

Dabei ist der Innovationsdrang nicht unbedingt technisch orientiert, sondern kann auch aus völlig anders gelagerten – dann aber durchaus „disruptiven“ – Geschäftsprozessen bestehen. Das zeigt sich besonders plakativ in der sogenannten Sharing-Economy, bei der die Kunden Ressourcen wie Fahrzeuge, Maschinen oder Dienstleistungen unter einander teilen. Auch die Fintechs genannten Internet-Banker machen sich neue Branchenregeln, die zum Beispiel nach der Europäischen Bezahldiensterichtlinie PSD2 möglich sind, zunutze, um einen ganzen Wirtschaftssektor aufzumischen.

Dabei wird das auf Joseph Schumpeter zurückgehende Wort „disruptiv“ für „kreative Zerstörung“ durchaus missbräuchlich benutzt. Denn die meisten Startups suchen nicht die Zerstörung, sondern die Neuformierung meist verkrusteter Branchengepflogenheiten. Statt einer klassischen 1zu1-Beziehung im B2B-Bereich nutzen sie die Möglichkeiten der Plattform-Ökonomie, bei der Kundenbeziehungen agil und individuell, da-bei aber doch weitgehend standardisiert und automatisiert ablaufen.

Das ist auch der Grund, warum sich Startup-Gründer und mittelständische Unternehmer immer wieder in Sprachlosigkeit gegenüberstehen. Der Mittelstand sucht seine Kooperationspartner lieben in der eigenen Branche, am liebsten sogar aus der eigenen Supply-Chain, um Innovationen in kleinen Schritten voranzubringen. Die Scheu des Mittelstands vor Startups wäre aber ein guter Grund für Gründer, sich stärker in den Branchenverbänden und Arbeitsgemeinschaften zu engagieren.

Denn der größte Teil der digitalen Startups in Deutschland hat laut Deutschem Startup Monitor ein Geschäftsmodell entwickelt, das sich sowohl an Geschäftskunden wie auch an deren Privatkunden wendet. In diesem B2B2C-Geschäft bieten Startups Dritten Online-Plattformen für Services an, mit denen diese wiederum ihre Produkte gegenüber dem Konsumenten anreichern können. Kein Startup betreibt beispielsweise selbst ein Parkhaus, bietet aber Parkhausbetreibern eine Plattform an, die den Parkplatzsuchenden schnellen Zugriff auf einen freien Platz ermöglicht. AirBnB besitzt keine Wohnungen, Uber keine Taxen, die sie auf Plattformen vermitteln. Das sind die Methoden der Plattform-Ökonomie.

Aber wie die Diskussionen um AirBnB und Uber zeigen, stoßen die neuen Geschäftsmodelle nicht nur traditionelle Branchenregeln um, sie stoßen auch oft an die Grenzen der Gesetzgebung. Das Ringen um Taxilizenzen und Wohnungsvermittlung hat in praktisch allen großen Kommunen für Unruhe gesorgt. Für Sharing-Modelle rund um Elektromobilität entstehen Fragen, wie und wo die Fahrzeuge – egal ob E-Scooter, Elektrofahrrad oder Kleinstwagen – abgestellt werden dürfen. Lieferservices mit Drohnen oder Robotern stoßen ebenfalls – zum Beispiel bei Überfluggenehmigungen – an Gesetzesgrenzen, die zumindest in Deutschland ihren Einsatz noch behindern.

Mit diesen Fragen müssen sich vor allem die sogenannten Scale-Ups befassen – also jene in die Jahre gekommenen Startups, die mit ihrem stürmischen Wachstum tatsächlich Branchen ebenso verändern wie zum Beispiel das Stadtbild. Für sie geht es nicht mehr vordringlich darum, den Proof-of-Concept zu erbringen. Sie haben bereits gezeigt, dass ihr Geschäftsmodell funktioniert. Für sie wird es – neben der Wachstumsfinanzierung – zum entscheidenden Erfolgsfaktor, die neuen Regeln in großem Stil den bestehenden Bestimmungen anzupassen.

Häufig ist es der zielführendste Weg, den direkten Kontakt mit dem Gesetzgeber, also mit Regierung und Parlament aufzunehmen, um dafür zu sensibilisieren, dass Gesetzgebungsverfahren die veränderten Anforderungen berücksichtigen und neuartige Geschäftsmodelle ermöglichen. Neue Anbieter im Bereich smart urban mobility stehen beispielsweise in Verhandlungen mit den Kommunen über Art und Umfang der eigenen Dienstleistungen. Stadtverwaltungen suchen den Dialog mit AirBnB. Für die Zulassung der E-Scooter wurde sogar eine Verordnung auf Bundesebene erlassen.

Der Dialog mit dem Gesetzgeber und mit der Verwaltung ist keine lästige Pflicht, die nur vom eigentlichen Geschäftsmodell ablenkt. Er ist vielmehr selbst ein kreativer Vorgang – je disruptiver das Geschäftsmodell, um so wichtiger. Der Aufwand lohnt sich. Er bildet den festen Grund, auf dem disruptive Gründer – und damit der Mittelstand von morgen – aufbauen können.

Dr. Peter Bechstein ist Partner und Aufsichtsratsvorsitzender der Public Affairs-Beratung CONCILIUS AG (www.concilius.com) in Berlin, Brüssel, München und Stuttgart.

Published on December 05, 2019